Offshore Bedingungen: Hydrodynamik und Eislasten
Die Offshore-Umgebung bringt zusätzlich zu den aerodynamischen Lasten auch hydrodynamische und Eislasten auf das gesamte Offshore-Windenergiesystem mit sich.
In Bezug auf die hydrodynamischen Lasten gilt es, Wellenanregung, Auftriebskraft und Strömungseinfluss zu berücksichtigen. Der allgemeine Ansatz zur Bestimmung der Wellenlasten auf eine Struktur ist die Verwendung der Morison-Gleichung. Eine differenziertere Methode, welche auch die Effekte von Beugung und Abstrahlung von Wellen erfasst, ist der Ansatz nach MacCamy-Fuchs. Die Auftriebskraftberechnung folgt hauptsächlich dem Prinzip von Archimedes, wobei hier das aktuelle eingetauchte Volumen in Abhängigkeit von der momentanen Position des schwimmenden Windenergiesystems sowie der Wellenhöhe am betrachteten Ort und zum bestimmten Zeitpunkt zu berücksichtigen ist. Zur Bestimmung des Einflusses der Strömung auf die Struktur wird zwischen drei verschiedenen Strömungstypen analog zu den Definitionen in Standards (IEC 61400-3) unterschieden:
- Tiefenströmungen, die durch Gezeiten, Sturmflut oder atmosphärische Druckveränderungen erzeugt werden
- durch Wind erzeugte Strömungen nahe der Wasseroberfläche, die nur bis zu einer Tiefe von 20 Meter unterhalb der Wasseroberfläche wirken
- durch Wellen generierte küstennahe Oberflächenströmungen, die parallel zur Küstenlinie verlaufen und Scherungskräfte aufgrund von brechenden Wellen erzeugen
Am Fraunhofer IWES wird der Einfluss von Meereislasten auf die globale Dynamik von Offshore-Windenergieanlagen untersucht. Ein solches Verständnis fehlt derzeit im Forschungsumfeld, in der Industrie und bei Zertifizierungsstellen. Bislang ist man auf die Einschätzung durch Eis-Experten angewiesen (ohne oder mit nur geringem Hintergrundwissen zur Dynamik von Windenergieanlagen), deren Methoden zur Berechnung der Eislasten nicht vollständig transparent und nicht immer kompatibel mit Entwurfs- und Zertifizierungsmethoden für Offshore-Windenergieanlagen sind. Zum Thema Meereis kooperiert das Fraunhofer IWES im Rahmen des SeaLOWT-Projekts mit RAMBOLL, der Technischen Universität Hamburg und externen Experten von der Norwegian University of Science and Technology (NTNU) und der Delft University of Technology.
Steuerung für automatisierte Lastrechnung
Zur Unterstützung der Lastrechnung ist der Fraunhofer IWES-Referenzregler entworfen und implementiert worden. Der Regler wird in Fortran 90 programmiert und verwendet die externe DLL-Schnittstellenkonvention von DNV-GL Bladed 4.3. Der Referenzregler bietet sowohl Funktionen zur kollektiven als auch zur individuellen Pitch-Regelung. Dazu gehört zum Beispiel Teil- und Volllast-Betriebsmodus. Drei Lastreduzierungsverfahren, nämlich aktive Antriebsstrangdämpfung, Dämpfung der Schwingungen am Turmkopf in fore-aft- und side-side-Richtung, werden eingesetzt. Eine einfache Betriebsführung einschließlich Normalstopp, Notfallstopp, Überdrehzahlüberwachung und Netzausfallerkennung ist ebenfalls implementiert.
Angewandte Lastrechnung in Industrie- und Forschungsprojekten
Einige beispielhafte Aktivitäten in Industrieprojekten:
- Analyse relevanter Turmbewegungen für eine Onshore-Windenergieanlage
- Steuerungsentwicklung zur Lastreduzierung für eine Onshore-Windenergieanlage
- Schulung in der Lastrechnung unter Berücksichtigung der Anforderungen aus gängigen Lastrechnungsnormen
- Beurteilung der Eisbedingungen für den Standort einer Offshore-Windenergieanlage
- Beratung und Beurteilung des Bemessungskonzepts für einen schwimmenden Offshore-Prototyp
Einige beispielhafte Aktivitäten in Forschungsprojekten:
- Lastanalyse für die Auslegung eines 20-Meter- und eines 80-Meter-Rotorblattes
- Vergleich verschiedener Strategien zur aktiven / passiven Lastreduktion von Rotorblättern
- Lastrechnung für das Design von Monopiles für verschiedene Nordsee-Standorte
- Zuverlässigkeitsbasierte Optimierung von schwimmenden Windenergieanlagen
- Validierung von Werkzeugen zur Lastrechnung von Windenergieanlagen
- Bewertung der Lasten einer Windenergieanlage aus Windfeldern mit nicht-gaußscher Statistik der Windinkremente