Windenergie ist bereits eine der wirtschaftlichsten Formen der Stromproduktion aus regenerativen Quellen. Dennoch müssen weiterhin die Kosten gesenkt werden, um im Wettbewerb mit Photovoltaik und anderen günstigen Technologien bestehen zu können. Das Fraunhofer IWES entwickelt Methoden zur selbstständigen Anpassung einer individuellen Windenergieanlage an die Umweltbedingungen ihres Standorts sowie an die bereits erfolgte Schädigung. Diese Methoden führen zu einer verbesserten Materialausnutzung, geringerem Materialaufwand, effizienterer Instandhaltung und einer Steigerung der Leistungsfähigkeit.
Die Windbedingungen an einem Standort beeinflussen die Auslegung und Lebensdauer einer Anlage maßgeblich. Während der Entwicklung einer Anlage sind sie nur unzureichend bekannt, müssen aber dennoch berücksichtigt werden. Dies geschieht durch die Einordnung in eine der drei Standortklassen nach IEC61400-1. Innerhalb einer Klasse werden identische Anlagen mit minimalen Anpassungen an sehr unterschiedlichen Standorten betrieben. Die Anlagenauslegung orientiert sich dabei an den nominellen Standortbedingungen. Da die Anlagen immer den widrigsten Bedingungen einer Standortklasse standhalten können müssen, werden die meisten Anlagen überdimensioniert.
Längere Nutzungsdauer oder maximaler 20-Jahres-Ertrag?
Die betriebsfeste Auslegung geht üblicherweise von einer Mindestlebensdauer von 20 Jahren aus. Nach dem Ende der vorgesehenen Nutzungsdauer verbleibt zumeist eine nutzbare Restlebensdauer, die unter Umständen durch eine Laufzeitverlängerung erschlossen werden kann. Dafür muss jedoch für jede einzelne Anlage der Nachweis erbracht werden, dass sie weiterhin sicher betrieben werden kann. Eine Nutzungsdauerverlängerung ist aber nicht in jedem Fall möglich oder sinnvoll; zum Teil sprechen ökonomische, rechtliche oder technische Randbedingungen dagegen.
In diesen Fällen greift eine andere Betriebsstrategie: Mit den Anlagen soll während der vorab festgelegten Nutzungsdauer die maximale Energieausbeute erwirtschaftet werden. Die Leistungserhöhung einer Windenergieanlage, beispielsweise mithilfe einer hochdynamischen Regelung oder durch kurzzeitige Überlast, ist aber meistens nur auf Kosten eines erhöhten Verschleißes zu erreichen.
Dieser darf dabei nicht zu unerwarteten frühen Ausfällen führen, um die Zuverlässigkeit nicht zu beeinträchtigen. Im Idealfall wird die Leistung der Anlage daher genau so weit erhöht, dass die zulässige Schädigung über die gesamte Nutzungsdauer eingebracht wird. Damit wird die technisch erreichbare Lebensdauer der Anlage vollständig genutzt und zugleich der maximale Energieertrag erzeugt.
Automatisierte Anpassung an Standort und Schädigung
Das Fraunhofer IWES entwickelt zu diesem Zweck übergeordnete Regelungsstrategien für Windenergieanlagen. Sie erfassen den aktuellen Schädigungszustand der Anlage und führen diese Information in die Betriebsführung zurück. Diese geschlossene Zuverlässigkeits-Regelschleife beinhaltet die Erfassung des Schädigungszustands, die Bestimmung der notwendigen Anlagenkonfiguration und die Anpassung der Betriebsführung der Anlage. Zuverlässigkeitsregelung passt somit selbstständig das Verhalten einer Standard-Anlage an den individuellen Standort an.
Die Standortbedingungen werden über die reale Betriebshistorie, die Lasten und Schädigungen berücksichtigt. Steht die Anlage an einem Standort, an dem die Belastungen geringer ausfallen als bei der Auslegung kalkuliert, wird dies in eine dauerhafte Erhöhung der Leistungsfähigkeit der Anlage umgesetzt. Umgekehrt ist es auch möglich, eine Anlage mit nominell zu schwacher Auslegung an einem Standort mit leicht erhöhter Belastung zu betreiben; in diesem Falle wird selbstständig die Leistungsfähigkeit reduziert, um die gewünschte Nutzungsdauer einzuhalten. Eine automatisierte Zuverlässigkeitsregelung trägt auf mehrere Arten zu einer Reduktion der Stromgestehungskosten bei:
• reduzierte Investitionskosten durch bessere Materialausnutzung und geringeren Materialeinsatz
• Erhöhung der Leistungsfähigkeit einer Anlage, so dass die gewünschte Nutzungsdauer gerade noch sicher eingehalten wird. Dadurch wird die Streuung der Ausfallzeit reduziert, Sicherheitsfaktoren können gesenkt und die Anlage geringer dimensioniert werden
• bessere Planbarkeit und effizientere Durchführung von Instandhaltungsarbeiten, dadurch verringerte Betriebskosten. Kritische Komponenten oder die ganze Anlage werden gezielt geschont, damit der Eintritt eines Schadensfalls bis zu einer ohnehin anstehenden Wartung aufgeschoben wird
• alle Maßnahmen erhöhen den maximalen Energieertrag, was zu einer weiteren Senkung der Stromgestehungskosten beiträgt
Darüber hinaus ist eine Umsatzsteigerung möglich: die Balance zwischen eingebrachter Schädigung und Leistungsfähigkeit kann zugunsten der Leistung verschoben werden, so dass die Energieausbeute steigt. Auf diese
Weise können vorübergehend erhöhte Stromvergütungen gezielt genutzt werden, um den Gewinn zu steigern.