Fraunhofer IWES nimmt weiteren Lagerprüfstand in Betrieb

Pressemitteilung /

Das Fraunhofer-Institut für Windenergiesysteme IWES nimmt den neuen Lagerprüfstand BEAT1.1 (Bearing Endurance and Acceptance Test) in Betrieb. Im Rahmen des vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) mit 2,15 Mio. Euro geförderten Forschungsprojekts iBAC (Intelligent Bearing Amplitude Control) testet das Fraunhofer IWES gemeinsam mit den Projektpartnern ENERCON, Dataletics und IMO 100 kleinmaßstäbliche Rotorblattlager. Mit Hilfe der Testergebnisse wird eine Datenbasis aufgebaut, mit der Methoden zur schonenden Pitchregelung und ein durch künstliche Intelligenz (KI) gestütztes Zustandsüberwachungssystem für Blattlager entwickelt werden können. Somit soll nicht nur eine optimale Energieausbeute erzielt werden, sondern auch die Systemlebensdauer erhöht und die Betriebsführung optimiert werden.

© Fraunhofer IWES/Ulrich Perrey
Der neue und somit sechste Prüfstand BEAT1.1 in Hamburg-Bergedorf widmet sich der Fragestellung, wie Blattlager erfolgreich vor Schäden geschützt werden können.
© Fraunhofer IWES/Ulrich Perrey
Das Hexapoddesign ermöglicht das Erzeugen von rotorblatttypischen Belastungen und Betriebsbedingungen.
© Fraunhofer IWES/Ulrich Perrey

Die Rotorblattlager einer Windenergieanlage (WEA) sind starken Belastungen ausgesetzt, denn um den optimalen Energieertrag zu erzielen, werden sie unter für Wälzlagern ungünstigen Bedingungen betrieben. Der oszillierende Betrieb führt zu ungünstigen Schmierbedingungen zwischen Wälzkörper und Lagerlaufbahn. Die Folgen können Schäden und Versagen der Blattlager sein und damit einhergehende Ertragsausfälle und Reparaturkosten für die Betreiber nach sich ziehen. Ziel des dreijährigen Projekts ist es darum, ein intelligentes Condition Monitoring System (CMS) zu entwickeln und mit einem Zuverlässigkeitsregler so zu kombinieren, dass der optimale Schutz für Blattlager gewährleistet wird und gleichzeitig der zu erwartenden Energieertrag und die Lebensdauer erreicht werden.

»Im Forschungsprojekt iBAC entwickeln wir in Kooperation mit unseren Projektpartnern Lösungen, um Rotorblattlager vor Schäden zu schützen und gleichzeitig einen optimalen Betrieb von Windenergieanlagen zu sichern. Wir kombinieren unsere Versuche an den skalierten Wälzlagern mit Simulationen der gesamten Windenergieanlage und wollen somit einen optimalen Kompromiss zwischen Lagerschädigung, Ertrag und der Belastung der Windenergieanlage finden. Die aus unseren Tests gewonnenen Datenmengen nutzen wir zur Charakterisierung des Verschleißverhaltens oszillierend betriebener Blattlager und lernen gleichzeitig damit das KI gestützte Blattlagerüberwachungssystem an«, sagt Arne Bartschat, Gruppenleiter Großlager am Fraunhofer IWES und Projektleiter.

Ein besonderer Schwerpunkt im Projekt iBAC liegt darin, die Ergebnisse und Erkenntnisse aus den Tests mit kleinmaßstäblichen Blattlagern und die entwickelten Methoden in die Windenergieanlage zu übertragen und dadurch einen Mehrwert für den Betrieb und die Zuverlässigkeit zu erzielen. Dies wird unter anderem durch die enge Kooperation mit den Projektpartnern aus der Industrie erreicht.

 „Ausfälle von Rotorblattlagern bringen hohe Kosten mit sich und moderne, lastreduzierende Pitchregler können für das Blattlager zu ungünstigen Betriebsbedingungen führen. Wir möchten hier gemeinsam im Projekt iBAC Abhlife schaffen. Wir unterstützen bei der Weiterentwicklung von Simulationsmodellen, prüfen die Anforderungen und definieren relevante Parameter für die Blattlagerung. Zudem führen wir selbst plausibilisierende Simulationen mit eigenen Modellen aus. Wir stellen zudem einsatzfähige Messtechnik mit Schnittstellen zum Prüfstands-Messsystem und zur Anlagensteuerung zur Verfügung. Wir prüfen den Einsatz des Überwachungssystems von Blattlagern in realistischer Einbausituationen in komplexen Umgebungen“, erläutert Sebastian Bauer, Projektleiter bei ENERCON.

„Ein System, das bisher im Blattlager-Bereich nicht existiert“, fügt Dipl.-Ing. Alper Sevim, Managing Director von Start-up Dataletics hinzu. „Im Projekt iBAC haben wir die Möglichkeit ein Überwachungssystem anhand aufgezeichneter Messdaten unter spezifischen Betriebsbedingungen zu trainieren. Wir sind für die Auslegung und Algorithmen der Hardware und für das Überwachungssystem zuständig. Für die Erkennung von stochastischen Ereignissen hilft ein neuronales Netzwerk, also ein selbstlernendes System, dabei, Daten auszuwerten und das Schädigungsverhalten des Blattlagers besser zu beschreiben.“

Auch die Zuliefererbranche ist im Projekt direkt miteingebunden: „Wir unterstützen die Untersuchungen und Entwicklungen im Projekt iBAC mit unserer Expertise als Hersteller von Blattlagern. Die Auslegung der maßstäblich verkleinerten Blattlager erfolgte in enger Anlehnung an Lagerdesigns aus der Praxis“ ergänzt Wolfgang Schnapp, Leiter Entwicklung, IMO GmbH und & Co. KG.

Das Fraunhofer IWES erweitert mit dem BEAT1.1 seine Prüfinfrastruktur und schafft damit eine skalierte Testmöglichkeit für Blattlager mit weniger als 1 m Durchmesser. Der bereits existierende Prüfstand BEAT6.1, auf dem Lager mit bis zu 6,5 m Durchmesser getestet werden, kann somit um zeitgleiche Prüfungen in der kleineren Testumgebung ergänzt werden. In Hamburg zählt das Institut mittlerweile insgesamt sechs Lagerprüfstände für Größen von 0,18 bis 6,5 m. Das Design des BEAT1.1 ist vergleichbar mit dem des BEAT6.1 und ermöglicht durch sein Hexapoddesign das Erzeugen von statischen und dynamischen Lasten in sechs Freiheitsgraden. Somit können realitätsnahe und windenergieanlagenspezifische Belastungssituationen für jeweils zwei zeitgleich getestete Lager erzeugt werden. Kurze Rüstzeiten und die Verwendung von skalierten Blattlagern ermöglichen dem Fraunhofer IWES zukünftig in kurzer Zeit eine hohe Anzahl von Lagern unter Berücksichtigung realitätsnaher Belastungssituationen zu testen und somit im Projekt iBAC eine wertvolle Datenbasis zum grundlegenden Verschleißverhalten, zur Entwicklung von Reglern und CMS zu erzeugen.

Technische Kennzahlen BEAT1.1:

  • Testen von Lagern mit bis zu ca. 0,8 m Durchmesser
  • Einleitung statischer und dynamischer Lasten bis 250 kNm und 500 kN
  • Dynamische Lasten mit bis zu 2 Hz
  • Hochintegriertes Kontroll- und Datenerfassungssystem mit sehr hohen Prozessgeschwindigkeiten – autarker Betrieb über Monate möglich
  • Messsystem mit 32 hochaufgelösten Messkanälen, Schnittstellen für externe Systeme und redundanten Datenbanken

 

Ansprechpersonen

Fraunhofer IWES:
Arne Bartschat, Gruppenleiter Großlager, Projektleitung
Large Bearing Laboratory
Am Schleusengraben 22, 21029 Hamburg
Tel.: +49 471 14290-520
arne.bartschat@iwes.fraunhofer.de

 

ENERCON:
Dipl.-Journ. Felix Rehwald
Leiter Unternehmenskommunikation / Head of Corporate Communications
Dreekamp 5, 26605 Aurich
Tel.: +49 4941 9187 1160
felix.rehwald@enercon.de

 

IMO: 
Wolfgang Schapp, Leiter Entwicklung, IMO GmbH und & Co. KG.
IMO Holding GmbH, Imostr. 1
91350 Gremsdorf, Germany
Tel.: +49 9193 6395-4169
Wolfgang.Schnapp@imo.de

 

Dataletics:
Dataletics GmbH
Dipl.-Ing. Alper Sevim, Managing Director
Rellinger Straße 23, 20257 Hamburg
Tel.: +49 40 8540766 12
ase@dataletics.de

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Das Fraunhofer IWES sichert Investitionen in technologische Weiterentwicklungen durch Validierung ab, verkürzt Innovationszyklen, beschleunigt Zertifizierungsvorgänge und erhöht die Planungsgenauigkeit durch innovative Messmethoden im Bereich der Windenergie und Wasserstofftechnologie. Derzeit sind rund 270 Wissenschaftler/-innen und Angestellte sowie mehr als 100 Studierende an fünf Standorten beschäftigt: Bremerhaven, Hannover, Bremen, Hamburg und Oldenburg.

 

ENERCON gehört seit über 35 Jahren zu den Technologieführern in der Windenergiebranche. Als erster Hersteller setzte das Auricher Unternehmen auf ein getriebeloses Antriebskonzept, das kennzeichnend für alle ENERCON Windenergieanlagen ist. Auch in Bereichen wie der Rotorblattkonstruktion, Regelungstechnik oder Netzanbindung setzt ENERCON bis heute technologische Maßstäbe.

Die kontinuierliche Forschung und Entwicklung liefert die Basis für ENERCONs Position in der Branche. Eine eigene Forschungs- und Entwicklungsorganisation gewährleistet dabei die notwendige Flexibilität und Unabhängigkeit. Ihre Zielsetzung ist es, die Innovationskraft des Unternehmens zu erhalten und stärken, um ENERCONs führende Marktposition durch eine vorausschauende Technologie- und Produktentwicklung auch in Zukunft sicherzustellen.

Kundenbedürfnisse, Trends sowie aktuelle Marktbedingungen bilden dabei wichtige Faktoren aktueller Forschungsthemen. In über 35 Jahren ist bei ENERCON eine effektive Entwicklungsorganisation entstanden, die den Markt mit zuverlässiger State-of-the-art-Technologie beliefert. ENERCON trägt damit entscheidend zur Energiewende bei.


IMO zählt seit mehr als 30 Jahren zu den weltweit führenden Herstellern von Großwälzlagern und Getriebesystembaugruppen. Fokus der Wälzlagerexperten sind kundenspezifische Auslegungen im Bereich Industrie und Wind. Am Firmensitz in Gremsdorf, Nordbayern, sind rund 420 Mitarbeitende beschäftigt.


Dataletics ist ein 2018 gegründetes Unternehmen aus Hamburg und beschäftigt sich mit allen Disziplinen im Bereich der Maschinendaten. Das Team ist auf die Schwerpunkte Messtechnik, Data Science & Embedded System Entwicklung spezialisiert und entwickelt Software, Gateways oder autarke Messsysteme zur Übertragung, Verarbeitung und Auswertung von Daten.

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