Das neue Fraunhofer IWES Manta Ray System – kosteneffiziente seismische Diffraktionsabbildung zur Findlingslokalisierung unterhalb des Meeresbodens im Rahmen der Risikominimierung bei Bauvorhaben auf See
Glaziale Findlinge stellen eine ernsthafte Herausforderung für den Bau von Windparks auf See dar
Der Bau von Offshore Windparks birgt große Herausforderungen durch die Größe der Offshore Windenergieanlagen (OWEA) sowie die Umweltbedingungen auf See. Schwierige geologische Gegebenheiten für die Installation der OWEA-Fundamente herrschen vor allem in den glazial geprägten Regionen vor, z.B. in Nordeuropa, wo die Identifikation von weitverbreiteten glazialen Sedimente mit Findlingen einen wichtigen Teil der Bodenvorerkundung für Windparks darstellt. Solche glazialen Findlinge können Größen von <1 m bis >5 m aufweisen und in verschiedenen geologischen Einheiten angetroffen werden. Große Gesteinsbrocken können auch in Gegenden angetroffen werden, die nicht glazial geprägt wurden, z.B. in Konglomeratlagen, vulkanischen Ablagerungen oder abgesenkten Strandabfolgen.
Werden solche Findlinge während der Installation von OWEA-Fundamenten, z.B. Monopiles, angetroffen, kann es zu Schäden an den Fundamenten oder sogar zu einem Komplettversagen der Fundamentinstallation kommen, was zu hohen Folgekosten führt. Die Zusatzkosten für bereitgestellte Hilfsschiffe und Ersatzfundamente erhöhen zusätzlich die Gesamtkosten zur Minimierung der Risiken im Zusammenhang mit Findlingsvorkommen.
Herkömmliche geophysikalische Methoden, z.B. Sedimentecholote, Einkanalseismik oder magnetische Methoden, können Findlinge im Untergrund nicht zuverlässig detektieren und lokalisieren. Deshalb besteht auch nach großflächigen, nach Stand der Technik ausgeführten geophysikalischen Vorerkundungen ein beträchtliches Restrisiko für nichterkannte Findlinge im Vermessungsgebiet. Solche Findlinge können ohne eine entsprechende Kartierung erhebliche Verzögerungen in der Fundamentinstallation und damit in der Gesamtplanung eines Offshore Windparks verursachen.
Um diese Lücke in der verfügbaren Technologie für die Bodenvorerkundung auf See zu schließen, hat das Fraunhofer IWES, zusammen mit der Universität Bremen, das Manta Ray System entwickelt, ein neues geophysikalisches Messsystem für die Findlingsdetektion in marinen Sedimenten.
Das Fraunhofer IWES Manta Ray System
Das neuartige Manta Ray Messsystem kann zusammen mit einer spezialisierten Datenauswertung Objekte, z.B. Findlinge, in marinen Sedimenten bis zur vollen tiefe von typischen OWEA-Fundamenten kartieren. Das System basiert auf mehrkanalseismischen Prinzipien mit einem eigens neu entworfenen Hydrophonarrays zur Datenaufnahme und einer passenden hochfrequenten Signalquelle. Im Gegensatz zu herkömmlicher Reflexionsseismik, wobei Strukturen im Untergrund durch Reflexionsenergie abgebildet werden, wird hier Diffraktionsenergie abgebildet, welche von Objekten im Untergrund verursacht wird. Objekte können dadurch bis zu einer Tiefe von ~100 m unterhalb des Meeresbodens in den Flachwassergebieten der Nord- und Ostsee lokalisiert werden.
Parallel zur Aufnahme von Diffraktionsenergie kann das Manta Ray System ultra-hochauflösende (UHR) 2D reflexionsseismische Daten aufnehmen, die für eine detaillierte geologische Interpretation des Untergrundes genutzt werden können. Die Integration von hochgenauen Positionierungssystemen, einer angepassten Vermessungsstrategie sowie einer effektiven Datenbearbeitung, basierend auf proprietären Algorithmen, ermöglicht die Erstellung von hochauflösenden seismischen Diffraktionsdatensätzen sowie UHR Reflexionsdaten für eine angeschlossene Dateninterpretation. Die Interpretation beinhaltet eine statistische Analyse der seismischen Diffraktionsdaten zusammen mit einer stratigraphischen Interpretation der geologischen Einheiten im Arbeitsgebiet mit Hilfe der Reflexionsdaten. Als Ergebnis können die Positionen und Tiefenlagen von identifizierten Objekten einschließlich einer Fehlerbetrachtung der Positionierungsgenauigkeit geliefert werden. Zusätzlich werden die identifizierten Objekte innerhalb der kartierten geologischen Einheiten verortet und interpretiert. Diese Resultate können genutzt werden um Flächen mit einem hohen Findlingsaufkommen für Bauvorhaben zu vermeiden und durch eine genaue Planung der Installationspositionen das Risiko für das Antreffen von Findlingen zu minimieren.
Das Manta Ray Messsystem wurde bei mehreren Seetests in der Nord- und Ostsee erprobt. Anschließend konnte eine erste kommerzielle Vermessung 2019 erfolgreich abgeschlossen werden.
Eine typische Vermessung mit dem Manta Ray System fokussiert sich auf begrenzte Flächen um geplante OWEA-Installationspositionen (z.B. 100 x 100 m), wobei zwischen sechs und zwölf Stunden Vermessungszeit pro OWEA benötigt werden, abhängig von der Planung der Gesamtvermessung, der Schiffsmobilisierung und anderen Variablen. Die Vermessung ganzer Windparks ist durch die hohe erreichbare Vermessungsgeschwindigkeit von ~5 Knoten sowie der fächerhaften Vermessungsgeometrie auch möglich. Die Datenauswertung und –interpretation wird in enger Abstimmung mit dem Kunden durchgeführt und beansprucht mehrere Wochen zur sorgfältigen Auswertung und Interpretation der gesammelten Datensätze. Die Endergebnisse erlauben es dem Kunden Offshore-Infrastrukturprojekte sicher sowie zeit- und kosteneffizient durchzuführen. Das System kann dabei einfach an die zu erwartenden Objektgrößen sowie die Zieltiefen angepasst werden und so für viele unterschiedliche Aufgabenfelder eingesetzt werden.
Das Manta Ray System ermöglicht eine Findlingslokalisierung für Offshore-Bauvorhaben wie z.B.:
- OWEA-Fundamente
- Hochseeplattformen
- Kabelkorridore
- Baggervorhaben
Vorteile des Manta Ray System für Findlingsvermessungen:
- Zuverlässige Objektdetektion in marinen Sedimenten durch die Abbildung von Punktdiffraktionen
- Detektion von Objekten (0.5-5 m) in Sedimenten bis zu einer Tiefe von ~100 mbsf
- Effiziente Kartierung durch eine fächerhafte Datenaufnahme
- Hohe Lokalisierungsgenauigkeit durch Datenauswertung mit synthetischer Apertur
- Angepasste Risikobestimmung für Offshore-Bauvorhaben
- Sekundäre UHR 2D/3D seismische Datensätze
Datenblatt "Manta Ray G1 - Sub-seafloor object detection"